Blended Care in der digitalen Medizin: Der Schlüssel zum Erfolg
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Dr. med. Filippo Martino ist Mitbegründer der Deutsche Gesellschaft für Digitale Medizin e.V. und Chief Medical Officer von Caspar Health. Als Vertreter der digitalen Gesundheitsbranche bringt er seine Expertise in gesundheitspolitische Ausschüsse ein und setzt sich für das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) ein, das im Januar 2024 in Kraft tritt. Herzlich willkommen, Dr. Filippo Martino.
Von Andrea Buzzi, Podcast-Host E-Health-Pioneers, 23. November 2023
Auswirkungen der DSGVO auf das Gesundheitswesen und die Bedeutung von Blended Care in der digitalen Medizin
Andrea Buzzi: Dr. Martino, die häufigste Todesursache in Deutschland sei die DSGVO, habe ich kürzlich auf einem Kongress gehört. Ist das übertrieben?
Dr. Filippo Martino: Es ist schon eine steile These, aber sagen wir mal so: Ich glaube, dass wir einiges an Potenzial in der Versorgung verschenken und uns zu wenig Gedanken machen, wie man dieses Potenzial heben kann. Todesfälle sind vielleicht drastisch formuliert, aber die DSGVO hat es definitiv an der einen oder anderen Stelle nicht einfacher gemacht, Patienten zu versorgen und Forschungsdaten bereitzustellen.
Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG): Einblicke in die Verbändeanhörungen
Andrea Buzzi: Erzähl uns von deinen Einblicken in die jüngste Teilnahme an den Verbändeanhörungen zum Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG). Wie läuft das genau ab?
Dr. Filippo Martino: Bei der Deutschen Gesellschaft für Digitale Medizin gehört die Anhörung zum demokratischen Prozess. Verschiedene Verbände können Stellung beziehen und ihre Positionen einbringen. Wir wurden kurzfristig eingeladen und haben intensiv an unserer Stellungnahme gearbeitet. In der Anhörung kann man sich zu Wort melden und seine Punkte einbringen. Es ist erfreulich zu sehen, dass auch kleinere und junge Fachgesellschaften wie unsere die Möglichkeit haben, Gehör zu finden.
Andrea Buzzi: Es soll bei der Gesundheitsdatennutzung eine Widerspruchslösung geben. Ist das durchsetzbar?
Dr. Filippo Martino: Aus meiner Sicht ist ein Widerspruchsrecht zentral. Es sind Daten, die für die Gesellschaft wichtig sind, und eine Opt-out-Lösung, bei der man widersprechen kann, anstatt aktiv zustimmen zu müssen, ist sinnvoll. Wichtig ist, dass die elektronische Patientenakte dabei eine zentrale Rolle spielt, um die Daten sinnvoll und sicher zu nutzen.
Andrea Buzzi: Was war Konsens bei den Verbänden, was Nachbesserungsbedarf betrifft?
Dr. Filippo Martino: Ein zentrales Thema war die Veröffentlichungspflicht von Forschungsergebnissen. Es muss ein zentrales Verzeichnis geben, in dem alle Ergebnisse transparent zugänglich sind. Diese Transparenz ist wichtig, damit die Gesellschaft von den Ergebnissen profitieren kann und die Forschung nachvollziehbar ist.
Transparenz und Datenschutz in der Blended Care in der digitalen Medizin
Andrea Buzzi: Wie würdest du einem skeptischen Patienten die Bedeutung von Transparenz erklären?
Dr. Filippo Martino: Transparenz ermöglicht es, dass sowohl Patienten als auch Ärzte von vornherein alle relevanten Informationen haben. Dies kann die Versorgung verbessern, da der Arzt sofort weiß, welche Untersuchungen schon gemacht wurden oder welche Allergien bestehen. Jeder kann selbst entscheiden, wie viel Transparenz er zulässt, und es gibt immer die Möglichkeit, der Nutzung der elektronischen Patientenakte zu widersprechen.
Andrea Buzzi: Wie sollen alle Daten so schnell zusammengeführt werden, dass sie ausgewertet werden können?
Dr. Filippo Martino: Das GDNG legt den Grundstein für die Verknüpfung von Gesundheitsdaten. Es wird Zeit brauchen, aber es ist der richtige Weg. Standards für den Datenaustausch sind wichtig und müssen eingehalten werden, um die Daten sinnvoll zu verknüpfen.
Caspar Health: Blended Care für die Rehabilitation
Andrea Buzzi: Wie funktioniert die digitale Klinik bei Caspar Health und was ist die Idee dahinter?
Dr. Filippo Martino: Unsere digitale Klinik bietet Rehabilitationspatienten nach dem Klinikaufenthalt eine Nachsorge über eine App an. Die Patienten lernen in der Klinik die digitalen Tools kennen und können dann zu Hause weiter trainieren. Dabei werden sie von echten Therapeuten und Ärzten begleitet, die ihre Fortschritte überwachen und bei Bedarf anpassen. Diese Mischung aus persönlicher Betreuung und digitaler Flexibilität, also Blended Care in der digitalen Medizin, ist ein Erfolgsfaktor.
Andrea Buzzi: Wie viele Patienten entscheiden sich für die digitale Nachsorge?
Dr. Filippo Martino: Das variiert je nach Klinik, aber in einigen Kliniken entscheiden sich bis zu 50% der Patienten für die digitale Nachsorge. Die Flexibilität und der direkte Kontakt zu den Therapeuten sind dabei entscheidende Vorteile.
Andrea Buzzi: Haben Sie schon Evidenzdaten zur Wirksamkeit der digitalen Nachsorge?
Dr. Filippo Martino: Ja, wir haben große Studien durchgeführt, die zeigen, dass unsere digitale Nachsorge mindestens genauso wirksam ist wie die analoge. In einigen Bereichen sind die Ergebnisse sogar besser, was auf die bessere Zugänglichkeit und Flexibilität der digitalen Angebote zurückzuführen ist.
Trends und Innovationen
Andrea Buzzi: Was sind die wichtigsten Trends, die du bei Caspar Health siehst?
Dr. Filippo Martino: Ein wichtiger Trend ist der kombinierte Versorgungsansatz. Studien zeigen, dass Blended Care, also die Kombination aus digitaler und persönlicher Betreuung, besser funktioniert als rein digitale Ansätze. Diese Mischung bietet die Vorteile beider Welten und ist daher sehr erfolgreich.
Andrea Buzzi: Wo kann man am besten Innovation in der Medizin anregen – als praktizierender Arzt, als E-Health-Startup oder als Lobbyist?
Dr. Filippo Martino: Ich würde sagen, als praktizierender Arzt oder generell als Fachkraft hat man derzeit den größten Einfluss.
Andrea Buzzi: Vielen Dank, Dr. Martino, für das spannende Gespräch.
Dr. Filippo Martino: Vielen Dank, dass ich dabei sein durfte.
Anmerkung der Redaktion: Dieses Interview beruht auf dem Podcast-Interview #97: TODESURSACHE DATENSCHUTZ vom 23. November 2023, produziert von der PR-Agentur The Medical Network.