Technologie in der Pflege: Chancen und Herausforderungen

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Katharina Steinhauer ist eine renommierte Pflegewissenschaftlerin am Universitätsklinikum Frankfurt. Sie begann ihre Karriere als Altenpflegerin und hat sich inzwischen der Digitalisierung in der Pflege verschrieben. Gemeinsam mit ihrem Team entwickelt sie innovative Lösungen, um den Pflegealltag durch digitale Tools zu verbessern. Herzlich willkommen, Katharina Steinhauer!

Von Andrea Buzzi, Podcast-Host E-Health-Pioneers, 14. März 2024

 

Die Zukunft der Pflege: Digitale Innovationen und der Einsatz von Robotern

Andrea Buzzi: Katharina, wenn du pflegebedürftig bist, glaubst du, dass dich dann ein Pflegeroboter pflegen wird?

Katharina Steinhauer: Tatsächlich glaube ich das nicht. Auch wenn sich bis dahin einiges verändern wird, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Pflegeroboter allein zuständig sein wird.

Andrea Buzzi: Könntest du unseren Zuhörern erklären, was genau mit dem Begriff „digitale Pflege“ gemeint ist und warum digitale Innovationen in der Pflege so wichtig für die Zukunft der Gesundheitsversorgung sind?

Katharina Steinhauer: Digitale Pflege beschreibt die Unterstützung der Pflege durch technologische Mittel, die Pflegende bei der Patientenversorgung entlasten. Im Krankenhaus beispielsweise optimieren digitale Tools standardisierte Prozesse wie das Belegungsmanagement.

Die Rolle digitaler Innovationen in der Pflege

Andrea Buzzi: Was genau macht eigentlich eine Pflegewissenschaftlerin?

Katharina Steinhauer: Meine Aufgabe ist sehr vielseitig. Ich unterstütze die Implementierung von Digitalisierungsprojekten, fungiere als Übersetzerin zwischen Herstellern und Anwendern und stelle sicher, dass die Projekte den Bedürfnissen der Pflegenden entsprechen.

Andrea Buzzi: Ihr baut gerade ein Kompetenzzentrum Digital Health und eine Entwicklerstation auf. Kannst du uns mehr darüber erzählen?

Katharina Steinhauer: Unser Ziel ist es, Digitalisierungsstrategien für die Klinik und die Region zu entwickeln und die Mitarbeitenden in digitale Prozesse einzubeziehen. In einem Skills Lab können Pflegende beispielsweise den Umgang mit Robotern erlernen und die Anwendung digitaler Innovationen in der Pflege weiter vertiefen.

Praxisnahe Digitalisierung

Andrea Buzzi: Am Universitätsklinikum in Frankfurt führt ihr viele patientennahe Digitalisierungsprojekte durch. Kannst du uns ein Beispiel geben?

Katharina Steinhauer: Ein Beispiel ist die Einführung von Tablets zur patientennahen Dokumentation. Dadurch haben Pflegende alle relevanten Informationen direkt am Patientenbett zur Hand, was die Pflegeeffizienz erheblich steigert.

Andrea Buzzi: Du hast die Harmonisierung der verschiedenen digitalen Anwendungen angesprochen. Wie geht ihr dabei vor und warum ist dieser Schritt so entscheidend für digitale Innovationen in der Pflege?

Katharina Steinhauer: Es ist wichtig, verschiedene Pilotprojekte zu koordinieren und ihre Funktionalitäten zu harmonisieren, um Redundanzen zu vermeiden und die Prozesse effizienter zu gestalten.

Akzeptanz digitaler Innovationen in der Pflege

Andrea Buzzi: Wie steht es um die Akzeptanz dieser digitalen Tools beim Pflegepersonal und den Patientinnen und Patienten?

Katharina Steinhauer: Die meisten Pflegenden sind offen für neue Technologien, wenn sie den Nutzen erkennen. Auch Patient:innen sind oft positiv überrascht, wenn sie sehen, wie digitale Tools ihren Pflegealltag erleichtern können.

Die aktuelle Lage in der Pflege

Andrea Buzzi: In den Medien wird der Pflegenotstand zwar immer wieder thematisiert und beziffert, aber so richtig fühlen tut man es nicht. In Deutschland sind über 4,1 Millionen Menschen pflegebedürftig, und diese Zahl wird voraussichtlich bis 2060 auf über 4,6 Millionen steigen. Es fehlen hunderttausende Pflegekräfte. Wie siehst du die aktuelle Lage der Pflege?

Katharina Steinhauer: Die Lage ist sehr angespannt. Viele Pflegende sind überlastet und ausgebrannt. Besonders prekär ist die Situation in der Altenpflege und der ambulanten Versorgung.

Andrea Buzzi: Kann Digitalisierung und Technologie in der Pflege auch den hohen Krankenstand reduzieren, der ja auch durch körperliche Anstrengung verursacht wird?

Katharina Steinhauer: Ja, Technologien wie Hebehilfen und Roboterarme können die körperliche Belastung verringern und so den Krankenstand senken.

Die Pflege der Zukunft

Andrea Buzzi: Hast du eine Vision, wie ich mit 80 mein Leben verbringe? Worauf muss ich mich einstellen?

Katharina Steinhauer: Ich denke, dass wir durch Technologien wie Ambient Assisted Living und Telepflege länger in unserer eigenen Häuslichkeit bleiben können. Roboter und digitale Assistenzsysteme werden uns dabei unterstützen.

Andrea Buzzi: Ist es damit getan, höhere Löhne zu zahlen, um den Pflegenotstand zu beheben?

Katharina Steinhauer: Höhere Löhne sind wichtig, aber wir müssen auch grundsätzlich neu über Pflege nachdenken und pflegebedürftige Menschen wieder stärker in die Gemeinschaft integrieren.

Andrea Buzzi: Zum Abschluss, Katharina, bitte ja oder nein: Kann Digitalisierung die prekäre Lage in der Pflege lösen?

Katharina Steinhauer: Nein, aber sie kann einen wichtigen Beitrag zur Lösung leisten.

Anmerkung der Redaktion: Dieses Interview beruht auf dem Podcast-Interview #102: PFLEGENOTSTAND – TECHNOLOGIE ALS RETTUNGSANKER?  vom 14. März 2024, produziert von der PR-Agentur The Medical Network.