Stoffwechsel-Diagnostik mit KI zur Früherkennung von Krankheiten

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Dr. Ali Tinazli ist CEO und Gründer von lifespin, einem innovativen Unternehmen, das mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz und Blutanalysen den Stoffwechsel von über 200.000 Personen untersucht. Durch diese hochpräzise Analyse können sie innerhalb weniger Sekunden mehr als 35 Krankheiten diagnostizieren.

Von Andrea Buzzi, Podcast-Host E-Health-Pioneers, 23. November 2023

 

Digitale Blutanalysen: Eine bahnbrechende Innovation in der Präzisionsmedizin

Andrea Buzzi: Ali, digitalisiert ihr mein Blut?

Dr. Ali Tinazli: Ja, genau. Unser Verfahren verwendet venöses Blut, das in unser Labor gesendet wird. Dort wird die Probe in einem Kernspinresonanzgerät gescannt. Innerhalb weniger Minuten können wir hunderte stoffwechselrelevante Moleküle messen und analysieren.

Andrea Buzzi: Wie genau läuft dieser Prozess ab? Werden die Blutproben wirklich per Post eingesendet?

Dr. Ali Tinazli: Ja, die Blutproben werden per Kurier in unser Labor geschickt oder die Patienten kommen direkt zu uns. Sobald die Probe vorliegt, mischen wir sie mit einer Phosphatlösung und führen sie in ein Kernspinresonanzgerät ein. Innerhalb von fünf Minuten scannen wir die Probe und erfassen dabei alle wichtigen stoffwechselrelevanten Moleküle.

Stoffwechsel als Spiegel der Gesundheit: Der Schlüssel zur Krankheitsfrüherkennung

Andrea Buzzi: Warum konzentriert ihr euch bei lifespin so stark auf den Stoffwechsel?

Dr. Ali Tinazli: Der Stoffwechsel ist ein umfassender Indikator für den Gesundheitszustand einer Person. Bei herkömmlichen Bluttests werden nur 20 bis 30 Parameter betrachtet. Unser Ansatz geht viel weiter, da wir hunderte verschiedene Stoffwechselprodukte messen. Dadurch erhalten wir ein viel breiteres und vor allem hypothesenfreies Bild des Gesundheitszustands.

Andrea Buzzi: Welche Stoffwechselprodukte untersucht ihr im Blut?

Dr. Ali Tinazli: Wir messen die Konzentrationen von hunderten Stoffwechselmetaboliten, die in direktem Zusammenhang mit verschiedenen Krankheiten stehen. Mit dieser Methode erfassen wir das vollständige metabolische Profil eines Patienten und können Krankheiten frühzeitig und präzise diagnostizieren.

Schnell und präzise: Die Technologie und Software hinter lifespin

Andrea Buzzi: Eure Technologie liefert beeindruckend schnell Ergebnisse – wie genau funktioniert das?

Dr. Ali Tinazli: Unsere Kernspinresonanztechnik erfasst die Stoffwechseldaten in nur wenigen Minuten. Anschließend nutzt unsere KI die Daten, um sie mit einer riesigen Datenbank zu vergleichen, die über 220.000 Proben enthält. Innerhalb von 30 Minuten erhalten wir so ein präzises Ergebnis, das uns Aufschluss über den Gesundheitszustand des Patienten gibt.

Vom präventiven Ansatz zur Frühdiagnostik: Mehr Gesundheit durch frühe Erkennung

Andrea Buzzi: Ist euer Hauptziel Prävention oder die Früherkennung von Krankheiten?

Dr. Ali Tinazli: Beides. Unsere Technologie unterstützt sowohl die Prävention als auch die Früherkennung. Wir starten zum Beispiel bald eine Studie in Hongkong, die uns helfen soll, Gebrechlichkeit bei älteren Menschen frühzeitig zu erkennen und gezielte Präventionsmaßnahmen einzuleiten.

Andrea Buzzi: Welche Krankheiten könnt ihr mit eurer Technologie diagnostizieren?

Dr. Ali Tinazli: Unsere Technologie kann über 35 verschiedene Erkrankungen diagnostizieren, darunter Stoffwechselstörungen, neurologische Krankheiten wie Parkinson und auch Krebs. Die Bandbreite ist enorm, da der Stoffwechsel bei vielen Erkrankungen eine zentrale Rolle spielt.

Personalisierte Medizin: Der Weg zur maßgeschneiderten Gesundheitsversorgung für alle

Andrea Buzzi: Wird personalisierte Medizin mit eurer Technologie für alle zugänglich sein?

Dr. Ali Tinazli: Genau das ist unser Ziel. Wir möchten die personalisierte Diagnostik für alle Menschen zugänglich machen, nicht nur für eine privilegierte Elite. Unser Fokus liegt darauf, die Technologie so zu skalieren, dass sie für jeden erschwinglich wird und flächendeckend eingesetzt werden kann.

Andrea Buzzi: Wie erkennt ihr anhand des Stoffwechsels, ob eine Person krank ist?

Dr. Ali Tinazli: Wir vergleichen die Stoffwechselmuster der Person mit den Mustern in unserer Datenbank. Abweichungen von der Norm weisen uns darauf hin, ob eine Krankheit vorliegt und in welchem Stadium sich diese befindet. Das macht die Analyse so präzise und gleichzeitig flexibel einsetzbar.

Regensburg als Innovations-Hub: Standortvorteile und internationale Anerkennung

Andrea Buzzi: Du hast lange in den USA gearbeitet und bist jetzt in Regensburg. Was macht diesen Standort für dich attraktiv?

Dr. Ali Tinazli: Regensburg bietet eine exzellente Infrastruktur für biotechnologische Innovationen und die Nähe zu führenden Forschungseinrichtungen und Universitäten ist ein enormer Vorteil. Das ermöglicht uns, sowohl in der Forschung als auch in der Praxis schnelle Fortschritte zu erzielen.

Andrea Buzzi: Du bist für den renommierten FORTTUNA Global Excellence Award nominiert. Du hast in diesem Zusammenhang den Begriff „Digital Blood“ verwendet. Was genau bedeutet das?

Dr. Ali Tinazli: „Digital Blood“ beschreibt die digitale Repräsentation des Bluts, die wir durch unsere Stoffwechselanalysen erstellen. Es handelt sich im Grunde um einen digitalen Zwilling des Bluts, der uns dabei hilft, Krankheiten früher zu erkennen und präzisere Diagnosen zu stellen.

Die Zukunft der Gesundheitsversorgung: Technologie trifft auf politische Rahmenbedingungen

Andrea Buzzi: Was erwartest du von der deutschen Politik in Bezug auf die Digitalisierung im Gesundheitswesen?

Dr. Ali Tinazli: Ich wünsche mir vor allem mehr Offenheit gegenüber neuen Technologien. Es wäre wichtig, die Erstattungsregelungen für innovative Verfahren zu lockern, da viele Technologien nicht über bestehende Erstattungscodes verfügen. Das bremst die Einführung solcher Verfahren in die Regelversorgung erheblich.

Andrea Buzzi: Vielen Dank für das spannende Gespräch, Dr. Tinazli!

Dr. Ali Tinazli: Vielen Dank, dass ich dabei sein durfte!

 

Anmerkung der Redaktion: Dieses Interview beruht auf dem Podcast-Interview #96: Digitales Blut vom 23. November 2024, produziert von der PR-Agentur The Medical Network.