DiGA erfolgreich entwickeln: So gelingt der Markteintritt

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Malte Bornholdt ist Geschäftsführer der Bornholdt Lee GmbH, einem Unternehmen, das sich auf die Entwicklung und Zulassung von Digitalen Gesundheitsanwendungen (DiGAs) spezialisiert hat. Mit seiner Expertise begleitet er Hersteller durch den komplexen Prozess der Produktentwicklung, regulatorischen Zulassung und Markteinführung – und ist zugleich Host des Podcasts Digital Health verstehen. Herzlich willkommen, Malte Bornholdt.

Von Andrea Buzzi, Podcast-Host E-Health-Pioneers, 30. Januar 2025

DiGAs im Realitätscheck: Warum Skepsis trotz positiver Zahlen bleibt

Andrea Buzzi: Malte, die Zahlen steigen – aber trotzdem hat man das Gefühl, dass viele Ärzte und Patienten noch immer skeptisch sind. Warum?

Malte Bornholdt: Das liegt oft daran, dass das Bild von DiGAs immer noch diffus ist. Viele denken bei digitalen Anwendungen an Lifestyle-Apps und nicht an evidenzbasierte Medizinprodukte. Dabei zeigt eine aktuelle Medperion-Studie, dass 63 Prozent der Patient:innen, die eine DiGA nutzen, auch tatsächlich von ihr profitieren. Diese Zahl spricht für sich – und für den aufwendigen, aber sinnvollen Zulassungsprozess.

Andrea Buzzi: Was macht für dich eine erfolgreiche DiGA aus?

Malte Bornholdt: Eine DiGA ist dann erfolgreich, wenn sie den Patient:innen nachweislich hilft. Wirtschaftlicher Erfolg ist wichtig, aber sekundär. Wichtig ist auch, die Zielgruppe frühzeitig einzubeziehen – etwa über Design-Thinking-Prozesse. Da geht es nicht nur um Usability, sondern auch darum, ob die Anwendung überhaupt zur Lebensrealität der Betroffenen passt.

Erfolgsfaktoren aus der Praxis: Was Entwickler jetzt beachten sollten

Andrea Buzzi: Welche Learnings fließen aus bisherigen Erfahrungen in die Entwicklung neuer DiGAs ein?

Malte Bornholdt: Ganz klar: Frühzeitige Zielgruppenbefragung, ein realistisches Budget und ein langer Atem sind entscheidend. Viele Hersteller unterschätzen Aufwand und Dauer – eine DiGA-Entwicklung dauert rund 18 Monate und kostet mindestens 1–1,5 Millionen Euro. Außerdem muss man sich fragen: Wo ist der Leidensdruck groß genug, damit eine DiGA auch wirklich genutzt wird?

Andrea Buzzi: Wie bewertest du die Regularien des BfArM? Sind die Hürden zu hoch oder gerechtfertigt?

Malte Bornholdt: Sie sind streng – aber das ist gut so. Denn nur so kommen qualitativ hochwertige Anwendungen auf den Markt. Problematisch ist allerdings, dass sich die Anforderungen ständig ändern. Ein Beispiel ist die BSI TR-03161, ein neues Zertifikat zur IT-Sicherheit, das ab 2025 verpflichtend ist. Das bedeutet zusätzliche Kosten – rund 50.000 Euro pro Anwendung – und kann Innovation ausbremsen.

DiGA 2.0: Warum das Modell mehr Flexibilität braucht

Andrea Buzzi: Denkst du, wir brauchen eine Art DiGA 2.0?

Malte Bornholdt: In gewisser Weise ja. Wir brauchen ein System, das mehr Flexibilität zulässt, Innovation fördert und dabei die Versorgung im Blick behält. Was aktuell fehlt, ist eine differenzierte Bewertung des Nutzens. Wenn eine DiGA etwa Patient:innen mit chronischen Schmerzen aus dem Teufelskreis von Medikamenten und Therapien holt, müsste das auch in der Preisbildung berücksichtigt werden – bislang zählt oft nur die Verordnungszahl.

Andrea Buzzi: Wo stehen DiGAs in fünf Jahren?

Malte Bornholdt: Ich bin überzeugt, dass sie dann fest zur Regelversorgung gehören – zumindest die, die echte Mehrwerte liefern. Zudem werden wir sehen, dass deutsche DiGAs zunehmend auch international erfolgreich sind. Denn: Wer es durch die deutschen Regularien schafft, hat gute Chancen auf dem europäischen Markt. Exportschlager DiGA – das ist kein unrealistisches Szenario.

Zielgruppenfokus, Finanzierung, Vermarktung: Diese Stolpersteine gilt es zu vermeiden

Andrea Buzzi: Was müssen Hersteller konkret tun, um die Akzeptanz zu stärken?

Malte Bornholdt: Sie müssen sich klar auf die Zielgruppe fokussieren – und zwar sowohl auf Patient:innen als auch auf Ärzt:innen. Letztere werden oft zu wenig einbezogen. Außerdem ist die richtige Indikation entscheidend: Sie sollte häufig vorkommen und mit einem hohen Leidensdruck einhergehen – sonst fehlt die intrinsische Motivation zur Nutzung.

Andrea Buzzi: Was sind die Top 3 Fehler, die du bei DiGA-Herstellern siehst?

Malte Bornholdt: Erstens: fehlende Patientenorientierung. Zweitens: falsche Finanzplanung – mit 500.000 Euro kommt man nicht weit. Drittens: Vernachlässigung der Vermarktung. Viele denken, es reicht, die DiGA zu entwickeln – aber wenn niemand davon weiß, bringt sie auch nichts. Übrigens: Eine Einlösung der Verordnung ist nicht selbstverständlich – auch hier braucht es gezielte Kommunikation und Nutzerführung.

Bornholdt Lee: So entsteht aus einer Idee eine zertifizierte DiGA

Andrea Buzzi: Wie arbeitet ihr konkret mit Herstellern zusammen?

Malte Bornholdt: Meist kommen die Gründer:innen mit einer groben Idee zu uns – oft noch ohne Pitch Deck. Dann starten wir mit einem Design-Thinking-Prozess, entwickeln Wireframes und Prototypen, validieren mit echten Nutzer:innen und kümmern uns um die technische Umsetzung sowie die regulatorische Dokumentation. Was wir nicht machen, ist die Vermarktung – dafür braucht es Kommunikationsprofis wie The Medical Network.

Andrea Buzzi: Wenn du ohne Einschränkungen eine DiGA entwickeln könntest – welche wäre das?

Malte Bornholdt: Wahrscheinlich eine Anwendung, die Betroffenen mit chronischen Schmerzen hilft, langfristig medikamentenfrei zu werden. Das ist ein riesiger Markt mit enormem Nutzenpotenzial – und genau daran arbeiten wir gerade.

 

Anmerkung der Redaktion: Dieses Interview beruht auf dem Podcast-Interview #119: Insights eines DiGA-Machers vom 30. Januar 2025, produziert von der PR-Agentur The Medical Network.