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10 DINGE, DIE SIE ÜBER DIGITALE GESUNDHEITSANWENDUNGEN (DiGA) UND PFLEGEANWENDUNGEN (DiPA) WISSEN SOLLTEN

Diese Faktenseite ist ein Service für alle Journalist:innen und an E-Health Interessierten. Das Expert:innenteam von The Medical Network hat die am häufigsten gegoogelten, wichtigsten und kontroversesten Fragestellungen zusammengetragen und liefert dazu Erläuterungen, Hintergründe, Links und Zahlen. Durch regelmäßige Aktualisierungen stellen wir sicher, dass sich die Informationen stets auf dem neuesten Stand befinden. (Aktueller Stand: 10/2022)

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1. Zahlen & Fakten: Wie viele DiGA/DiPA gibt es und wie oft wurden sie bislang erstattet?

DiGA: Aktuell sind im DiGA-Verzeichnis des BfArM 38 DiGA gelistet – davon 13 dauerhaft aufgenommene, 21 vorläufige und 4 mittlerweile wieder gestrichene DiGA. Bis Juli 2022 wurden DiGA insgesamt etwa 115.000 mal erstattet (Quelle).
DiPA: Aktuell existiert noch kein DiPA-Verzeichnis, daher gibt es auch noch keine Erstattungsmöglichkeit. Die Zahl der ungeprüften DiPA lässt sich nur schätzen.

2. Verschreibung & Erstattung: Wer darf DiGA/DiPA verschreiben? Werden DiGA/DiPA nur auf Rezept erstattet?

DiGA: DiGA dürfen von allen approbierten Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen verschrieben werden. Voraussetzung für die Verschreibung ist, dass die DiGA für die gestellte Diagnose zugelassen ist. Zusätzlich zur Verschreibung durch Ärzt:innen können DiGA auch von gesetzlichen und privaten Krankenkassen ohne Rezept erstattet werden – Patient:innen müssen dafür einen Antrag bei ihrer Versicherung stellen.
DiPA: Die Erstattung von Kosten für DiPA erfolgt auf einen Antrag bei der Pflegekasse. Ein Rezept ist nicht notwendig – lediglich, dass ein Pflegegrad festgestellt wurde und die DiPA im Verzeichnis des BfArM gelistet ist. Dieses Verzeichnis existiert allerdings noch nicht.

3. Kosten: Wie kommt der Preis für DiGA/DiPA zustande? Sind digitale Anwendungen immer sehr teuer?

DiGA: Die Preise für DiGA wurden bis 30. September 2022 von den Herstellern zunächst für die Dauer von einem Jahr selbst festgelegt. Seit dem 1. Oktober 2022 gilt eine neue Regelung mit einer Preistabelle, die sich an der Zahl der ausgegebenen Freischaltcodes und dem Status der DiGA (zur Erprobung oder dauerhafte Aufnahme) orientiert. Die Tabelle kann hier eingesehen werden. Nach der neuen Tabelle kosten DiGA zwischen 164,03 Euro und 886,95 Euro. Die Preisvorgaben gelten allerdings erst ab mindestens 2.000 Erstattungen. Bis diese Zahl erreicht ist, können die Hersteller den Preis weiterhin selbst definieren.
Die Preisgestaltung der Hersteller sowie die Vorgaben orientieren sich an den Kosten für eine vergleichbare nicht-digitale Therapie und bilden außerdem die Entwicklungs- und Betriebskosten einer DiGA mit ab.
DiPA: Die Erstattung von DiPA ist nur bis zu einer Höhe von 50 Euro monatlich möglich. Daher erwarten Branchen-Expert:innen, dass die meisten DiPA dementsprechend auch 50 Euro monatlich kosten werden.

4. Preisverhandlungen bei DiGA: Wie funktionieren sie und was passiert, wenn sie scheitern?

Bis zum 1.10.2022 galt folgende Regelung: Im ersten Jahr nach Aufnahme in das Verzeichnis dürfen die Hersteller den Preis selbst festlegen – was übrigens seit 2011 für alle Arzneimittel gilt, die neu eingeführt werden. Nach dem ersten Jahr folgte eine Preisverhandlung mit dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen, der in den meisten Fällen mit einem Gang zur Schiedsstelle endete. Die Schiedsstelle hat dann einen endgültigen Preis festgelegt.

5. Wirksamkeit/Evidenz: Ist die Wirksamkeit von DiGA/DiPA durch Studien wissenschaftlich belegt? Wann müssen Hersteller die sogenannte Evidenz-Studie vorlegen?

Für DiGA in der „Erprobung“, die also vorerst für ein Jahr aufgenommen sind, muss zunächst kein Nachweis der Wirksamkeit erbracht werden. Für eine dauerhafte Aufnahme nach einem Jahr oder direkt muss hingegen der medizinische Nutzen nachgewiesen werden. Dafür ist eine Studie notwendig, die in Deutschland mit einer vorab fest definierten Patient:innengruppe durchgeführt wurde. Die Erstattungsfähigkeit bezieht sich dann auch ausschließlich auf diese Patient:innengruppe bzw. die Erkrankung/Symptomatik, die diese Patient:innen aufweisen. Die Studie muss wissenschaftliche Standards erfüllen und in einem öffentlichen Studienregister registriert werden. Das Studienregister muss ein Primärregister oder ein Partnerregister der International Clinical Trials Registry Platform der World Health Organisation (WHO) sein. Damit werden die Qualität und die Vergleichbarkeit der erhobenen Angaben sichergestellt. Die WHO führt die Informationen zusammen und macht sie weltweit an zentraler Stelle zugänglich. Das anerkannte Primärregister für Deutschland ist das Deutsche Register klinischer Studien (DRKS) beim BfArM.
Für DiPA gilt grundsätzlich das gleiche. Genauere Angaben zum Evidenznachweis wird das BfArM mit Einrichtung des Antragsportals (angekündigt für Ende Oktober 2022) veröffentlichen. Das BfArM gibt aktuell folgende Information: „Zum Nachweis des pflegerischen Nutzens werden (…) in der Regel vergleichende Studien gefordert. (…) Der persönliche pflegerische Nutzen digitaler Pflegeanwendungen ergibt sich vielfach aus Verbesserungen in der häuslichen Versorgungssituation und aus deren Unterstützung bei der Bewältigung und Organisation des Pflegealltags. Daher sollen Studien zu digitalen Pflegeanwendungen in der häuslichen Versorgungsrealität angesiedelt und möglichst mit Hilfe der Erhebung und Aufbereitung versorgungsnaher Daten durchgeführt werden, auch Simulationen sind denkbar.“

Grafik bfarm Fast Track DiGA
Ablauf des Fast-Track-Verfahrens. Quelle: BfArM.

6. Cybersecurity & Datenschutz: Wie sicher sind DiGA/DiPA? Gibt es ein Datenschutzproblem?

DiGA müssen allen Vorgaben der Datenschutzverordnung (DSGVO) gerecht werden und umfangreiche Angaben zur Datensicherheit beim BfArM vorlegen. Kürzlich wurden zwar zwei Fälle bekannt, in denen Hacker:innen sich Zugang zu Nutzer:innendaten verschaffen konnten, die entsprechenden Sicherheitslücken wurden allerdings unverzüglich von den Herstellern geschlossen.
Hier finden Sie alle Vorgaben zum Datenschutz, die für DiGA und DiPA gelten.

7. Vorläufig vs. permanent: Warum sind manche Anwendungen nur vorläufig ins Verzeichnis aufgenommen und andere dauerhaft?

Mit der vorläufigen Aufnahme (für ein Jahr) haben Hersteller die Möglichkeit, eine Anwendung Patient:innen zur Verfügung zu stellen, für die – in der Regel aus Kostengründen – noch keine Evidenzstudie zur Wirksamkeit durchgeführt werden konnte. Die Studie muss dann innerhalb eines Jahres durchgeführt und beim BfArM eingereicht werden. Anschließend kann das BfArM die DiGA dauerhaft aufnehmen. Mit einer vorliegenden Studie können Hersteller auch direkt eine permanente Aufnahme beantragen.   

8. Download & Freischaltung: Wie kriege ich eine DiGA/DiPA auf mein Smartphone?

DiGA und DiPA sind auf den gängigen digitalen Marktplätzen für Apps zum Download verfügbar. Von der Kranken- bzw. Pflegekasse erhalten die Anwendenden einen Code zur Freischaltung. Nach der Eingabe des Codes kann die DiGA/DiPA vollumfänglich genutzt werden. Einige Hersteller bieten auch zeitlich beschränkte Testzugänge an. Es gibt allerdings auch DiGA, die browserbasiert funktionieren. Sie lassen sich nicht herunterladen, sondern sind über einen Link zu erreichen.

9. Arzt oder Apotheker: Wer kann mich zu DiGA/DiPA beraten?

DiGA: Bislang wird eine DiGA-Beratung nur für Ärzt:innen und Psychotherapeut:innen vergütet. Aber der Apotheker-Verband Berlin hat beim Deutschen Apothekertag 2022 einen Antrag darauf gestellt, dass auch Apotheker:innen eine Beratungsleistung zu DiGA gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen können. Eine Entscheidung des Gesetzgebers dazu steht noch aus.

10. International: Gibt es DiGA/DiPA nur in Deutschland?

In Belgien wurde im April 2022 ein vergleichbares System, dass sich am deutschen DiGA-Verzeichnis orientiert, eingeführt. Frankreichs Präsident Macron hat ebenfalls angekündigt, das deutsche DiGA-System zeitnah übernehmen zu wollen. Von Schwe­den und Liechtenstein sind ähnliche Vorhaben bekannt.

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Quellen und weiterführende Links:

DiGA Verzeichnis: https://diga.bfarm.de/de/verzeichnis
DiGA/DiPA Datenschutz: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Medizinprodukte/diga-dipa-datenschutzkriterien.pdf?__blob=publicationFile
DiGA Antragsverfahren/Leitfaden: https://www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Medizinprodukte/diga_leitfaden.html?nn=597198
DiGA Zulassungsprozess: https://www.zi-congress.de/fileadmin/zi-congress/Vortraege_2022/Zi-Congress_2022-09-07_Loebker.pdf
DiGA Höchstbeträge/Preisvorgaben: https://www.gkv-spitzenverband.de/media/dokumente/krankenversicherung_1/telematik/digitales/2022-10-01_Produktspezifische_Hoechstbetraege_interim.pdf
Zahlen DiGA Verordnungen: https://www.handelsblatt.com/inside/digital_health/digitale-gesundheitsanwendungen-diga-markt-waechst-im-ersten-halbjahr-2022/28496184.html
DiPA Verordnung (VDiPA): https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/Gesetze_und_Verordnungen/GuV/V/vdipa_refe_bf.pdf
Antrag zu DiGA-Beratung beim Deutschen Apothekertag: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/news/artikel/2022/08/09/diga-so-koennten-apotheken-mitwirken
DiGA-System auf englisch erklärt: https://medicalfuturist.com/diga-how-germany-channeled-digital-health-apps-into-its-healthcare-system/
DiGA-Pläne International: https://www.healthcaremarketing.eu/_rubric/detail.php?rubric=Medien&nr=81454

„E-Health Pioneers“ Podcast-Folgen zum Thema DiGA/DiPA:

#62: Nach DiGAs müssen DiPAs kommen!
#61: DiPA Update mit Tobias Krick
#60: Die Geheimnisse einer DiGA-Macherin
#51: Neues DiGA Infoportal für Hausärzte gestartet
#41: DiGA-Spezial Folge 3
#40: DiGA-Spezial Folge 2
#39: DiGA-Spezial Folge 1