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10 DINGE, DIE SIE ÜBER INTEROPERABILITÄT UND DIE TELEMATIKINFRASTRUKTUR WISSEN SOLLTEN

Diese Faktenseite ist ein Service für alle Journalist:innen und Personen, die an E-Health interessiert sind. Das Expert:innenteam von The Medical Network hat die am häufigsten gegoogelten, wichtigsten und kontroversesten Fragestellungen zusammengetragen und liefert dazu Erläuterungen, Hintergründe, Links und Zahlen. Durch regelmäßige Aktualisierungen stellen wir sicher, dass sich die Informationen stets auf dem neuesten Stand befinden. (Aktueller Stand: 11/2022)

Sie haben weitere Fragen zum Thema Interoperabilität und Telematikinfrastruktur oder möchten mit unserem Expert:innenteam sprechen?

1. Wofür stehen die Begriffe Interoperabilität und Telematikinfrastruktur?

Interoperabilität: §384 SGB V des Sozialgesetzbuches sowie die EU-Medizinprodukteverordnung definieren Interoperabilität wie folgt: „Interoperabilität bezeichnet die Fähigkeit von zwei oder mehr Produkten – einschließlich Software – desselben Herstellers oder verschiedener Hersteller,
a) Informationen auszutauschen und
b) die ausgetauschten Informationen für die korrekte Ausführung einer konkreten Funktion ohne Änderung des Inhalts der Daten zu nutzen und/oder
c) miteinander zu kommunizieren und/oder
d) bestimmungsgemäß zusammenzuarbeiten.“

Interoperabilität ist demnach ein Zustand/ein Setting, in dem elektronische Geräte und Software-Programme mit- und untereinander Daten/Informationen austauschen können. Ein Beispiel: Die Praxissoftware einer Gesundheitseinrichtung verarbeitet Daten von der elektronischen Gesundheitskarte (eGK), die von einem Kartenlesegerät ausgelesen werden. Die eGK, das Lesegerät und die Software sind demnach interoperabel.

Telematikinfrastruktur: Die Telematikinfrastruktur (kurz: TI) ist die zentrale Plattform für Gesundheitsanwendungen in Deutschland. Sie bildet seit 2019 die Grundlage für Dienste wie das E-Rezept und die elektronische Patientenakte. Zudem nutzen Ärzt:innen und Versicherte die TI, um etwa die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) auszustellen bzw. weiterzureichen.

2. Was haben Interoperabilität und die TI miteinander zu tun?

Interoperabilität ist die entscheidende Grundlage der TI. Ohne interoperable Software und Schnittstellen wäre der Betrieb der Telematikinfrastruktur nicht möglich. Umgekehrt ist Interoperabilität ein Konzept, das völlig unabhängig von der TI existiert. Vereinfacht gesagt: Interoperabilität ist die Farbe, mit der die TI als Bild gemalt wird. 

3. Wo haben wir es im (medizinischen) Alltag mit Interoperabilität und TI zu tun?

Verschickt etwa eine Hausarztpraxis eine elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf digitalem Wege an die Versicherung einer Patientin, nutzt die Praxen die Telematikinfrastruktur. Beteiligt an diesem Prozess ist das Praxissystem des Hausarztes bzw. der Hausärztin sowie die internen Systeme der Versicherung. Möglich war die Weiterleitung nur, weil beide Systeme miteinander kommunizieren können, d.h. interoperabel sind.

Was heißt das konkret? Für Patient:innen sind Interoperabilität und TI eigentlich „unsichtbar“, trotzdem sind sie wesentliche Bestandteile des Versorgungssystems. Wann immer Patient:innen einen Service wie zum Beispiel E-Rezept, eAU oder ePA nutzen, wird das durch Interoperabilität ermöglicht und geschieht innerhalb der TI. Gleiches gilt für Ärzt:innen und medizinische Fachkräfte. Wird in einer Praxis eine Versichertenkarte elektronisch ausgelesen, funktioniert das nur, weil interoperable Schnittstellen und Software das möglich machen.  

4. Welche Arten von Interoperabilität gibt es und welche Bedeutung haben sie?

Grundsätzlich werden vier Ebenen der Interoperabilität unterschieden, die zum Teil aufeinander aufbauen. 

1. Technische/strukturelle Ebene: Sie ist die Grundlage der Interoperabilität. Auf dieser Ebene wird die Infrastruktur bereitgestellt, die zur strukturierten Speicherung von Daten sowie zum Austausch von Informationen benötigt wird. Ein Beispiel: WLAN bzw. das mobile Datennetz (etwa 5G) ist die technische Voraussetzung für Interoperabilität von mobilen Geräten. 

2. Syntaktische Ebene: Auf dieser Ebene werden Schnittstellen und Datenstrukturen definiert und Vorgaben zur Strukturierung von Datenübertragungen gemacht. Durch die definierten Strukturen werden Sender und Empfänger von Daten zweifelsfrei erkannt. Ein Beispiel: Die Adresszeile bei einer E-Mail folgt einer definierten Struktur. Daher kann eine Mail immer einem Empfänger zugeordnet werden.  

3. Semantische Ebene: Sie bezieht sich auf gemeinsame Terminologien und die Vereinheitlichung
von Begrifflichkeiten in Form von Definitionsverzeichnissen. Dadurch werden Informationen von Sender und Empfänger gleich interpretiert. Ein Beispiel: In einem Krankenhaus wird eine Pflegediagnose gestellt, die direkt in das System einer Pflegeeinrichtung übertragen werden kann, da beide Systeme die gleichen Bezeichnungen verwenden. Die Prozessinteroperabilität ist damit vorhanden. 

4. Organisatorische Ebene: Auf dieser Ebene wird Interoperabilität durch organisatorisches Management umgesetzt. Ein Beispiel: Die Geschäftsführung einer Einrichtung führt einen Messenger ein, den Mitarbeitende in der Kommunikation nutzen sollen. Diese Einführung muss organisiert werden – beispielsweise mit der Definition einer Roadmap und Mitarbeiterschulungen. 

5. Wer ist für die TI zuständig und wer definiert die Standards für Interoperabilität in Deutschland?

Die Nationale Agentur für Digitale Medizin (kurz: gematik) verantwortet die Telematikinfrastruktur. Sie entwickelt die technischen Spezifikationen und Tools der TI, wie etwa die TI-Konnektoren. Dabei handelt es sich um Hardware, die in Praxen den Zugang zur TI sicherstellt.

Die gematik GmbH definiert auch die Standards für Interoperabilität in Deutschland inklusive der notwendigen Spezifikationen. Das heißt, sie legt fest, welche Datenformate und Softwareprotokolle in der TI angewendet werden müssen und wie diese zu benutzen sind bzw. welche Schnittstellen sie haben müssen.

6. Wie funktioniert der TI-Anschluss?

Aktuell ist eine Anbindung an die Telematikinfrastruktur ausschließlich über einen sogenannten Konnektor möglich. Dabei handelt es sich um eine spezielle, von der gematik geprüfte Hardware-Komponente, die Chips – etwa von elektronischen Gesundheitskarten oder Heilberufsausweisen – auslesen kann. Der Konnektor kann sich physisch in der Gesundheitseinrichtung, also beispielsweise einer Hausarztpraxis, befinden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, sich an eine sogenannte Konnektorfarm (Rechenzentrum mit mehreren Konnektoren) anzuschließen. Der Konnektor wird dann von der Praxis aus über das Internet angesteuert.

Damit sind die technischen Voraussetzungen für die TI-Anbindung erfüllt. In der Folge können Gesundheitseinrichtungen verschiedene Anwendungsmöglichkeiten der TI mit darauf abgestimmten Software-Lösungen nutzen.

7. Was ist die TI 2.0?

TI 2.0 bezeichnet die nächste Entwicklungsstufe der TI, die 2025 eingeführt werden soll. Mit der TI 2.0 sollen zunächst die Konnektoren wegfallen. Der Zugriff auf die TI soll dann über direkte Schnittstellen ohne zwischengeschaltetes Gerät (Konnektor) funktionieren.

Laut der gematik GmbH wird die TI 2.0 auf sechs Säulen aufbauen:

1. Einem föderierten Identitätsmanagement: Leichtere Identifikationsverfahren als aktuell für Leistungserbringer (Praxen etc.) und Leistungsnehmer (Versicherte).

2. Der universellen Erreichbarkeit der Dienste: Es soll keine spezielle Hardware (z. B. Konnektor) mehr notwendig sein.

3. Einer modernen Sicherheitsarchitektur

4. Verteilten Diensten: Das heißt nichts anderes, als dass Daten
aus verschiedenen Quellen (automatisch) verknüpft werden können.

5. Interoperabilität und strukturierten Daten: Gesundheitsdaten sollen nach bestimmten Standards erfasst werden und über interoperable, standardisierte Schnittstellen geteilt werden können – zum Beispiel zu Forschungszwecken.

6. Einem automatisiert verarbeitbaren Regelwerk der TI: Das soll eine automatisierte Überprüfung beispielsweise neuer Software-Lösungen auf die Vorgaben der TI 2.0 hin ermöglichen.

TI-Anschluss Gesundheitseinrichtungen Infografik

8. Schnittstellen und Standards: Wie wird Interoperabilität in der Praxis hergestellt?

1. Grundlagen schaffen: Die Beteiligten werden zunächst mit dem Thema vertraut gemacht.

2. Status quo analysieren: Eine Übersicht der anzupassenden technischen
und organisatorischen Strukturen wird erstellt, gesetzliche und regulatorische Anforderungen werden erfasst. 

3. Strategie entwickeln: Dies geschieht in der Regel anhand der
Planung und Priorisierung von Use Cases.

4. Strategie umsetzen: Dafür ist eine genaue Kenntnis darüber,
welche Daten in welchen Systemen vorhanden sind und welche Möglichkeiten
bestehen, diese interoperabel auszutauschen, notwendig. 

5. Anpassungen in den laufenden Betrieb überführen: Ab hier muss die Einhaltung der Standards engmaschig überwacht werden. Bei Änderungen der Vorgaben müssen die Systeme auf die neuen Standards und/oder Schnittstellen umgestellt werden. 

9. Was ist der „Europäische Gesundheitsdatenraum“?

Die EU-Kommission hat 2022 den Europäischen Raum für Gesundheitsdaten beschlossen, um Gesundheitsdaten nach europaweit einheitlichen Standards zu erfassen und zu nutzen. Umgangssprachlich heißt diese Verordnung auch Europäischer Gesundheitsdatenraum, wobei die geläufige Abkürzung EHDS von der englischen Bezeichnung european health data space herrührt.

Durch den EHDS können Gesundheitsdaten sowohl für eine sog. patientenbezogene Primärnutzung verwendet werden als auch für die forschungsbezogene Sekundärnutzung.

Die EU-Kommission fördert damit u.a. die medizinische Versorgung, welcher durch die Datennutzung eine tiefgreifende Datengrundlage für Forschung und Innovation vorliegt. Auch legt der EHDS der gesetzliche Rahmen fest, in dem die Daten genutzt werden dürfen – und wie Einzelpersonen die Kontrolle über ihre sensiblen Gesundheitsdaten behalten.

10. Gibt es einen internationalen Datenstandard?

Ein wichtiger Kommunikations- bzw. Datenstandard ist HL7 (Health Level 7). Er wird sowohl international als auch in Deutschland dazu genutzt, Daten und Informationen zwischen den zahlreichen Institutionen des Gesundheitswesens auszutauschen. HL7 sorgt dementsprechend dafür, dass verschiedene Systeme dieselben Daten auf die gleiche Art auslesen bzw. verstehen.

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